Herbstliches Tessin

 

 

Vielleicht etwas unvorsichtig habe ich in meiner Vorschau über die Herbstreise in das Tessin angenehme Temperaturen und beste Fernsicht in allen Höhenlagen angekündigt. Bis auf den Vormittag des dritten Reisetages habe ich auch recht gehabt – für einen nicht berufsmäßigen Wetterfrosch eine recht passable Erfolgsquote. Aber gerade die knapp halbtägige Regenfront hat etlichen meiner Gäste ein Erlebnis beschert, das sonst kaum jemand hat. Doch der Reihe nach.

Die Anreise von Salzburg über Innsbruck, wo die letzten Gäste zusteigen, verläuft problemlos. Die angekündigten Erlebnisse treten programmgemäß ein. Zuerst das ‚Erlebnis Natur’. Da in Graubünden die Nationalstraße zwischen Thusis und Zillis, also im landschaftlich ‚wildesten’ Teil, überwiegend im Tunnel verläuft, verlassen wir diesen Verkehrsweg und benützen die Verbindungsstraße, sodaß wir am Parkplatz ‚Via Mala’ Station machen können. Der Blick in die Schlucht hinunter und die steil aufragenden Felswände empor wird nicht nur von den Gästen, die das erste Mal hier unterwegs sind, als überwältigend empfunden.  

 

 

Während sich die Fahrt durch die Via-Mala-Schlucht aus dem Katalog des Veranstalters ergibt, kann ich mit dem ‚Erlebnis Kultur’ die Gäste, die noch nicht mit mir auf dieser Strecke unterwegs gewesen sind, einige Minuten später so richtig überraschen. Heuer bereits zum dritten Mal vermittle ich einen einmaligen Kunstgenuß. In der Kirche in Zillis bewundern wir die romanische Kassettendecke, wobei jeder Gast von mir den Plan derselben erhält. So können die einzelnen Darstellungen problemlos erkannt und in die biblische Geschichte eingeordnet werden, wie beispielsweise die ‚Heiligen drei Könige’ mit ihren wartenden Pferden.

 

 

Die Hochgebirgslandschaft zieht uns in der Folge in ihren Bann; links und rechts begleiten uns schneebedeckte Dreitausender, bis uns der San-Bernardino-Tunnel verschluckt. Dann aber eine interessante Landschaft, durch die sich die – hier noch zweispurige – Nationalstraße hinunterschlängelt. Weiterhin bei strahlendem Sonnenschein geht es dem Tagesziel Lugano zu; in unserem Standorthotel werden wir freundlich aufgenommen und unternehmen nach dem Abendessen den ersten Spaziergang zum See mit der beleuchteten Fontäne.

 

 

Der zweite Reisetag bringt dann das angekündigte besondere Erlebnis! Das Verzasca-Tal mit seinem von Serizitgneisen smaragdgrün gefärbten Fluß und den herrlich anzusehenden Erosionsformen der Felsen im und am Wasser. In Lavertezzo können die schönsten Felsen bewundert werden, wobei es in diesem Ort noch den ‚Ponte dei Salti’, eine mit elegantem Schwung den Fluß überspannende zweibogige aus Bruchsteinmauerwerk errichtete Brücke, zu bestaunen gilt. Meisterwerke der Natur und der Technik! Und über allem ein strahlend blauer Himmel!

 

 

Weiter fahren wir im Verzasca-Tal aufwärts bis in das Dorf Sonogno, also in die höchstgelegene Talgemeinde. Leider können wir die Pfarrkirche nicht besichtigen, aber der Bummel durch das Dorf bietet genügend Schönes und Interessantes. Holz und Stein sind die Baumaterialien der Häuser, die Dächer sind vielfach mit Steinplatten gedeckt. Auch wenn sich die Sommersaison schon dem Ende zuneigt, so können wir doch die Gastronomie testen und ganz ausgezeichnet speisen.

 

 

Aber auch die schöne und geruhsame Zeit in diesem entlegenen Gebirgsdorf geht zu Ende, wollen wir doch noch Locarno am Lago Maggiore einen Besuch abstatten. Bei der Fahrt talauswärts kommen wir wieder am Stausee mit der 38o m langen und 22o m hohen Staumauer vorbei, die wir auf der Fahrt in das Tal bereits in Augenschein genommen haben.

 

 

Bald schon erreichen wir Locarno, diese so herrlich am Lago Maggiore liegende Stadt, die wir allein, zu zweit oder in kleinen Gruppen erforschen. Vor allem die Kaffeehäuser sind Anziehungspunkte, aber auch beim Bummel auf der Strandpromenade treffen Steiermärker, Oberösterreicher, Salzburger und Tiroler einander.

 

 

Gerne aufgesucht wird der Hafen mit seinen Linienschiffen. Mit dem ältesten Gotteshaus Locarnos im Rücken, nämlich der romanischen Kirche S. Vittore, versammeln sich die Gäste zum Gruppenbild vor unserem Bus. Am späten Nachmittag fahren wir zu unserem Hotel zurück, wobei wir für den nächsten Vormittag außer dem vorgesehenen Stadtbummel noch eine Fahrt auf den Monte San Salvatore planen.

 

 

O Schreck, am Morgen regnet es – und es scheint nicht aufhören zu wollen. Was sollen wir da machen? Hat da eine Fahrt auf den Berg überhaupt einen Sinn? Wir finden eine Lösung in der Weise, daß eine kleine Gruppe mit mir mit der Standseilbahn hinauffährt und daß wir uns dann zum gemeinsamen Stadtbummel treffen würden. Also auf zur nahen Talstation und hinauf auf den Berg, ausgerüstet mit Anoraks und Pullovern. Aber so schlecht ist die Sicht gar nicht! Schon während der Bergfahrt beginnen die Gesichter wieder zu strahlen und oben klatschen uns zwar die Regentropfen ins Gesicht, aber wir haben ein Erlebnis, das wohl selten ein Lugano-Besucher sein eigen nennen kann: Wir trotzen dem Wetter und genießen in der Höhe die friedliche Ruhe.

 

 

Zur vereinbarten Zeit treffen dann wieder alle zusammen, wir spazieren – es regnet kaum mehr – dem Seeufer entlang und biegen dann in die Altstadt ein. Es gilt, die Fassaden des Rathauses, aber auch der repräsentativen Bürgerhäuser, in Augenschein zu nehmen. In den vielen – teilweise mit Arkaden gesäumten – Gassen folgt ein eleganter Laden dem anderen. Dann trennen wir uns wieder. Ein Teil der Gäste fährt mit unserem Bus – der Fahrer ist zwischenzeitlich zu uns gestoßen – nach Melide, der andere Teil mit mir auf dem Linienschiff dorthin. Wir wollen nämlich auf dem Weg nach Como die Schweiz im Kleinformat kennenlernen, also Swissminiatur besuchen.

 

 

In Melide kommen wir also wieder zusammen. Es bleibt Zeit für das Mittagessen und vor allem auch für einen gemütlichen Bummel durch die Schweiz in 25facher Verkleinerung. Da sich zwischenzeitlich bereits die Sonne durchkämpft, macht die Besichtigung des Freigeländes großen Spaß. Wir stellen - teilweise wieder einmal - fest, wie viel Schönes dieses kleine Land zu bieten hat und daß es viele Besuche wert ist.

 

 

Weiter fahren wir ohne Aufenthalt Richtung Como – auch die Grenzkontrolle zu Italien stellt keine Verzögerung dar. In Como dann klart es endgültig auf, am Nachmittag ist überhaupt keine Wolke mehr am Himmel zu sehen. Hätten wir das gewußt, wären wir zuerst nach Como gefahren und dann nachmittags auf den Monte San Salvatore. Aber wir nehmen es eben wie es kommt und nützen die reichlich bemessene Zeit, um in dieser schönen Stadt am Südende der westlichen Zunge des Comer Sees die Kirche San Fedele und den Dom aufzusuchen. Dann aber ist Freizeit angesagt; alles strömt zum Seeufer, um dort die Stimmung zu genießen.

 

 

Die Heimfahrt zum Hotel wird durch prachtvolle Sicht auf die den Luganer See umgebenden Berge verschönt; am Abend wieder ein geruhsamer Bummel auf der Uferpromenade. 

Ungern müssen wir am vierten Reisetag von dieser schönen Gegend Abschied nehmen, doch wird dieser dadurch erleichtert, daß uns auf der Heimfahrt noch viele schöne Eindrücke erwarten. Nach der Fahrt am Luganer See entlang schon bald der Blick auf den Comer See, worauf es dann stetig bergauf geht, um letztendlich den Anstieg zum Malojapaß zu schaffen, wo wir natürlich eine Rast einlegen. Weiter fahren wir – nunmehr den Inn entlang – bis St. Moritz, doch können wir mit unserem Reisebus nicht ins Zentrum des zweifachen Olympiaortes vordringen. Also ‚parkieren’ wir nahe dem St. Moritzer See und genießen bei einem Spaziergang am Seeufer den herrlichen Blick über den See auf das unter tiefblauem Himmel liegende St. Moritz Dorf.

 

 

Nach dieser erholsamen Zeit am Seeufer geht die Fahrt die lange Strecke durch das Engadin unserer Heimat entgegen. Bald nach der Grenze noch ein gemütliches Mittagessen und ab Innsbruck leert sich dann der Bus. Eine hinsichtlich völlig unterschiedlicher Erlebnisse interessante Fahrt geht zu Ende.